Georg-Meistermann-Preis 2013

Georg-Meistermann-Preis 2013

Verleihung des Georg-Meistermann-Preises im EVENTUM Wittlich

Dr. Hans Friderichs hält Laudatio auf seinen Freund

Im neuen EVENTUM Wittlich ist am Freitagabend Hans-Dietrich Genscher (85) der Georg-Meistermann-Preis der Stiftung Stadt Wittlich in Form einer Urkunde und einer Bronzeplakette verliehen worden. Mit herzlichem Beifall der rund 1200 Zuhörer nahm der mit 18 Jahren dienstälteste Außenminister die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung bei einem öffentlichen Festakt entgegen. Die Preissumme spendet der in Halle/Saale aufgewachsene FDP-Politiker für den Deutschen Kinderschutzbund Bernkastel-Wittlich und für Veranstaltungen im Rahmen der Wittlicher Kulturtage 2013.

Die Feier fiel auf einen für Genscher denkwürdigen Tag. Am 15. Februar vor 70 Jahren wurde der damals 15jährige als Luftwaffenhelfer eingezogen. In einem Interview mit ZDF-Journalistin Gundula Gause reflektierte er kurzweilig, humorvoll und tiefgründig einige ausgewählte Stationen seines ereignisreichen Lebens. Prägend war dabei sein Ziel, aktiv an der Wiedervereinigung seines geteilten Heimatlandes mitzuwirken, für Frieden und Demokratie in aller Welt einzutreten. Eine ganz neue Bedeutung bekam das Zusammentreffen des Protestanten Genscher vor zwei Jahren und zwei Monaten mit Papst Benedikt XVI. nach dessen Rücktrittserklärung nur fünf Tage vor Genschers Ehrung in Wittlich, über die der FDP-Politiker erstmals öffentlich sprach.

Dem öffentlichen Festakt der Stiftung Stadt Wittlich anlässlich der Verleihung des Georg-Meistermann-Preises im voll besetzten EVENTUM vorausgegangen war für Hans-Dietrich Genscher und dessen Frau Barbara ein Empfang im Großen Sitzungssaal des Alten Rathauses. Dort kam es für Genscher auch zu einer Begegnung mit dem Werk Georg Meistermanns. Bürgermeister Joachim Rodenkirch nutzte in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich den Anlass, das Ehepaar Genscher durch die zum 100. Geburtstag des Künstlers neu gestaltete Meistermann-Dauerausstellung im Alten Rathaus   zu führen. Begleitet wurde er unter anderem vom Ehrenvorsitzenden der Stiftung Stadt Wittlich und dem jahrzehntelangen politischen Weggefährten Genschers, Bundeswirtschaftsminister a.D. Dr. Hans Friderichs sowie dem Kuratoriumsvorsitzenden Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon.

Neben ihnen und Genscher trug sich auch Gundula Gause ins Goldene Buch der Stadt Wittlich ein. Dort finden sich nur wenige Seiten zuvor auch die bisherigen Preisträger des seit 2006 regelmäßig verliehenen Preises wieder: Posthum erhielt den Georg-Meistermann-Preis erstmals Bundespräsident Johannes Rau, es folgten Präsidentin Dr. Charlotte Knobloch vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann und nun Hans-Dietrich Genscher.

Joachim Rodenkirch konnte  zum Festakt im EVENTUM eine Fülle hochrangiger Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Kirchen und Religionen, der befreundeten amerikanischen Streitkräfte, Behörden und Verwaltungen begrüßen. Der sicherlich älteste Gast des Abends war Wittlichs Ehrenbürger Willi Schrot (98 Jahre). Die große Zahl wertete der Wittlicher Bürgermeister als Wertschätzung für den Preisträger des Jahres 2013 und auch für den Namensgeber, Georg Meistermann. Einen besonderen Gruß richtete er an die Vertreter der Familie Meistermann, insbesondere an Claus Bingemer.

In diesem Zusammenhang ging Rodenkirch auch auf das Ziel des ausgelobten Preises ein: „Der Preis soll das Andenken an den großen Künstler Georg Meistermann (1911 – 1990), der unserer Stadt sehr verbunden war und durch seine Werke nach wie vor ist, wach halten. Professor Meistermann ist Zeit seines Lebens auch in der schwierigen Zeit des dritten Reiches für Meinungsfreiheit und Demokratie eingetreten. Er war tief im christlichen Glauben verwurzelt, was sich in seinen Werken immer widerspiegelt“. Rodenkirch erinnerte daran, dass nicht nur die Stiftung Stadt Wittlich Eigentümerin großer Teile des Nachlasses von Georg Meistermann sei. Zudem befänden sich viele wertvolle Glasfenster von Meistermann in öffentlichen und privaten Gebäuden in Wittlich. Unter anderem hob Rodenkirch auch die Fenster der Apokalyptischen Reiter hervor, die vor dem Hintergrund des Schreckens des Krieges und des unsäglichen Leids 1954 entstanden waren.

Das Kuratorium der Stiftung Stadt Wittlich begründet die diesjährige Preisverleihung an Bundesaußenminister a.D. Hans-Dietrich Genscher darin, dass der Preisträger ausgehend von der Verantwortung für die Vergangenheit sich immer durch die Idee von der Freiheit und der Würde des Menschen leiten ließ. „Diese Maxime durchzieht Ihr politisches Wirken wie ein roter Faden und hat Ihr Handeln bestimmt. Mit dieser Grundüberzeugung haben Sie wesentlich zur Vereinigung der Deutschen beigetragen und am Bau eines neuen Europas mitgewirkt“.

Genau vor 70 Jahren, am 15. Februar wurde Genscher damals 15-jährig als Flakhelfer eingezogen.“ Es folgten Reichsarbeitsdienst und dann kam Genscher zur 12. Armee des Generals Wenck. Das Schicksal habe es gnädig mit ihm gemeint, dennoch hätten die Schrecken des Krieges Genscher für den Rest des Lebens geprägt. Ein Leben, dessen Bogen sich vom Untergang des alten Deutschlands über die Teilung des Landes bis zur Vereinigung ziehe.

„Die Geschichte wird uns nicht messen an kleinen taktischen Erfolgen hier und dort. Sie wird uns allein daran messen, ob es uns gelungen ist, das Leben für uns alle menschenwürdiger zu gestalten,“ zitierte Rodenkirch aus Genschers Buch „Erinnerungen“. Und schloss: „Sehr verehrter Herr Genscher, Sie haben durch Ihr Wirken das Leben für viele menschenwürdiger gemacht. Wir sind stolz, dass Sie heute hier sind sowohl als Staatsmann als auch als Mensch.“


Auszüge aus der Laudatio von Dr. Friderichs

Ehre und Aufgabe war es für Laudator Dr. Hans Friderichs, die Vergabe des Georg-Meistermann-Preises 2013 an Hans-Dietrich Genscher zu begründen. Er tue dies auch deshalb gerne, weil es im April 2013 fünfzig Jahre her ist, daß sich Genscher und er kennenlernten und viele Jahre gemeinsamen Wirkens in Bonn folgten.

Einleitend zitierte der frühere Bundeswirtschaftsminister den ersten Meistermann-Preisträger Bundespräsident Johannes Rau, der an die Bedeutung Meistermanns nicht nur deshalb erinnert hatte, weil Meistermann der Initiator der Bundeskunstsammlung war und dieser entscheidend dazu beigetragen habe, dass Kunst und Politik in unserer Gesellschaft nicht als Gegensätze betrachtet wurden und werden.

Prägend sind für Genscher laut Dr. Friderichs nicht nur der frühere Verlust des Vaters mit neun Jahren, der Zweite Weltkrieg oder die Eröffnung der Diagnose Tuberkulose mit 19 Jahren, die er mit eigenem Willen bekämpft und heilen kann. Er erfährt auch den Gegensatz West-Ost, die Trennung der beiden Teile Deutschlands am eigenen Leib. Das in Halle/Saale begonnene Jurastudium setzt er  nach Verlassen der DDR über West-Berlin in Hamburg fort und arbeitet in Bremen als Anwalt. Die ersten Kontakte zur liberaldemokratischen Partei in Ostdeutschland wirken auch im Westen nach und münden in einer Mitgliedschaft der FDP. Wie Hans Friderichs wird auch Hans-Dietrich Genscher 1965 erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt, 1969 wird Genscher Innenminister der Bundesrepublik. Drei Jahre später muss er miterleben, wie die Olympischen Spiele in München von einer Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler überschattet werden. Genscher bot sich selbst als Geisel an, um das Leben der jüdischen Geiseln zu retten. Eine Konsequenz aus dem Vorfall: Die Spezialeinheit GSG 9 wird gegründet.

Im Mai 1974 wird Hans-Dietrich Genscher Außenminister und bleibt dies bis 1992. Er ist so beliebt, dass er sogar als Genschman zur Comicfigur avanciert und Genscher-Witze kursieren.

Der Verlust seiner Heimat und die Teilung Deutschlands haben ihn laut Dr. Friderichs „zu einem politisch interessierten und engagierten Menschen gemacht, und zwar in einem positiven zukunftsgerichteten Sinne: „Er war immer davon überzeugt, dass das Ziel der deutschen Einigung nur in einem gesamteuropäischen Rahmen erreichbar sei. Ich zitiere wörtlich: „ Die Deutschen können sich nicht ohne Europa vereinen, aber um die Deutschen herum kann sich Europa auch nicht vereinen“.“

Einen wichtigen Aspekt von Genschers Persönlichkeit und Wirken bei der Fülle von politischen Wegstationen untermauerte der Laudator mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler: „Der Name Genscher stand für Kontinuität und Berechenbarkeit“.

Nicht nur diese Eigenschaften kommen Genscher im späteren Prozess der erfolgreichen Wiedervereinigung Deutschlands zugute. Während viele Michael Gorbatschow,  Generalsekretär der Sowjetunion mit Skepsis und Misstrauen begegnen, kann sich Genscher auf Erfahrung und seine Kontakte verlassen und sagte im Januar 1987: „Nehmen wir Gorbatschow ernst, nehmen wir ihn beim Wort“.

Genschers Lebensziel rückt in greifbare Nähe: Frieden in Europa, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung – mit der Zustimmung aller seiner Nachbarn –seine Einheit wieder erlangen durfte.

Am 12. September 1990, um 12.45 Uhr Moskauer Zeit unterzeichnen die Außenminister der 4 Siegermächte des Zweiten Weltkrieges sowie Hans-Dietrich Genscher und DDR-Ministerpräsident de Maiziere den „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“. Eine laut Friderichs unschöne Formulierung, aber der Wiedervereinigung  Deutschlands steht nichts mehr im Wege.

„Ein großer Erfolg, aber ich glaube – erlauben Sie mir, dass ich hier die Du-Form wähle -, dass Dich emotional nichts mehr bewegt hat als der Jubel der 3.500 DDR-Flüchtlinge in der deutschen Botschaft in Prag als Du ihnen sagen konntest: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“.

Der Rest ging im Jubel unter. Vielleicht hat nur der Mauerfall dieses Geschehen noch getoppt. Lassen Sie mich mit einem Zitat von Hans-Dietrich Genscher schließen: „Eine neue Weltordnung wird nur dann überall als gerecht empfunden werden, wenn sie bestimmt wird von der Stärke des Rechts und nicht vom Recht des Stärkeren“.

Großsporthalle zeigt Möglichkeiten

Musikalisch umrahmte Philipp Vitkov, Klavier, den Festakt mit Werken von Bach, Mozart und Chopin. Zum ersten Mal konnte das EVENTUM Wittlich mit Licht-, Bühnen- und Projektionstechnik zeigen, welche hervorragenden Möglichkeiten die neue Großsporthalle mit Mehrzwecknutzung bietet. Auf zwei Videoleinwänden wurden auch die Ansprachen und das Interview mit Hans-Dietrich Genscher über jüngste Zeitgeschichte „zum Greifen nah“ präsentiert. Dort wurde auch ein ZDF-Portrait des weit gereisten Außenministers eingespielt, das Gundula Gause aus Mainz mitgebracht hatte.

Nach dem Festakt lud der Bürgermeister alle Gäste zum Umtrunk und zu guten Gesprächen ein.