Georg-Meistermann-Preis 2010

Georg-Meistermann-Preis 2010

Karl Kardinal Lehmann begeistert in Markuskirche 400 Ehrengäste

Maßstäbe im gesellschaftlichen und kirchlich-religiösen Dialog gesetzt

Ein verschmitzt-strahlender Karl Kardinal Lehmann nahm am Freitagnachmittag den Georg-Meistermann-Preis 2010 der Stiftung Stadt Wittlich entgegen. Lang anhaltender herzlicher Beifall vor rund 400 geladenen Ehrengästen und Wittlicher Bürgern in der  Markus-Kirche unterstrich die Wertschätzung, die dem Mainzer Bischof und langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz auch in der ältesten deutschen Diözese Trier genießt. Nicht zufällig hielt Prof. Dr. Bernhard Vogel die Laudatio auf den nach Johannes Rau und Charlotte Knobloch dritten Meistermann-Preisträger seit 2006. Vogel hatte 1968 als junger rheinland-pfälzischer Kultusminister Lehmann an den Lehrstuhl für Katholische Dogmatik und Theologische Propädeutik nach Mainz berufen. Später, als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident, hatte er nichts gegen eine Berufung Lehmanns einzuwenden, als dieser nach theologischer Lehrtätigkeit von Freiburg nach Mainz zurückkehrte und Bischof von Mainz wurde.

Bürgermeister Joachim Rodenkirch erinnerte bei der Begrüßung in der voll besetzten Markuskirche an die Zielsetzung des Georg-Meistermann-Preises. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis halte das Andenken an den großen Künstler Georg Meistermann wach. „Sein unerschütterliches, kritisch-konstruktives Eintreten für Demokratie soll nachfolgende Generationen anregen, diesem Beispiel zu folgen“. Meistermann sei tief im christlichen Glauben verwurzelt gewesen, was sich in seinen Werken widerspiegele.

In der Markuskirche könne man einen Blick auf die ersten Kirchenfenster werfen, die Meistermann nach dem Krieg angefertigt habe. Die Fenster erschienen 1948 Bischof und Generalvikariat  als zu modern. Schmunzeln raunte durch das Kirchenschiff, als Rodenkirch von der Einweihung 1949 den damaligen Prälaten zum Fenster „Auferstehung Christi“ zitierte: „Das ist eines der großartigsten Werke nach Ravenna. Die beiden anderen Fenster nehme ich in Kauf“. Heute, 62 Jahre danach, genießen die Fenster höchste Anerkennung.

Rodenkirch stellte als zentrale Charakteristik des Meistermann-Preisträgers 2010 an Kardinal Lehmann heraus, dass er sich trotz seiner außerordentlichen Erfolge als Vorsitzender de Deutschen Bischofskonferenz, als Theologe und brillanter Wissenschaftler immer die Nähe zu den Menschen bewahrt habe und sich darüber hinaus engagiert für andere einsetze. Sein Denken und Handeln sei vom Streben motiviert, Gegensätze ab- und Gemeinschaft aufzubauen. Er sei nicht nur Vermittler des Glaubens, sondern agiere auch als Vermittler zwischen den Menschen. Er setze Maßstäbe auch im gesellschaftlichen, im ökumenischen und interreligiösen Dialog.

Der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauerstiftung und zweifache ehemalige Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel sah nach Johannes Rau und Charlotte Knobloch nun Lehmann in einer würdigen Reihe der Georg-Meistermann-Preisträger an einen Kardinal , „der selbst Meister geworden ist“.

Die deutschen Katholiken konnten auf ihn bauen in vielen schwierigen Situationen. Er habe sie nie im Stich gelassen. Er lehre sie, warum wir glauben. Er sei als Bischof auch Gelehrter geblieben mit einer große Hochachtung abnötigenden Arbeitsleistung und einer besorgenden Überforderung seiner physischen Kondition. „Die Bibel, Herr Kardinal, lässt es zu, dass auch Christen mitunter schlafen dürfen – den Schlaf des Gerechten“.

In der Würdigung des umfangreichen Wirkens Lehmanns ging Vogel auch auf das Verhältnis der Theologie zu Kirche und Gesellschaft ein. Theologie sei, so zitierte Vogel den Preisträger, „konkrete Lebenshilfe für uns Menschen in unserem Alltag hier und heute“. Zuletzt auf dem Ökumenischen Kirchentag habe sich Lehmann nicht mit dem bisher Erreichten zufrieden gegeben und benannte noch bestehende Hindernisse: „Das Fehlen vollwertiger gemeinsamer Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen, die kirchliche Anerkennung und seelsorgliche Begleitung konfessionsverschiedener Ehen; das Warten auf eine gegenseitige Einladung und Anerkennung im Blick auf das Herrenmahl“.

Vogel schloss seine Würdigung: „Die Stiftung Stadt Wittlich möchte sich ermutigt fühlen, weiter eine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Preisträger zu haben. Der Kardinal aber möge in der Gewissheit den Heimweg nach Mainz antreten, dass wir ihn und seine Worte auch in Zukunft lebensnotwendig brauchen“.

Unterlegt von begeisterndem Beifall überreichten Kuratoriumsvorsitzender Professor Dr. Dr. h.c. Hermann Simon, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich, Joachim Rodenkirch und Ehrenvorsitzender der Stiftung Dr. Hans Friderichs dann Karl Kardinal Lehmann den Georg-Meistermann-Preis 2010. Das damit verbundene Preisgeld von 10.000 Euro stiftet der Kardinal zu gleichen Teilen an den Caritasverband Wittlich für die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien an Ferienfreizeiten sowie an das Hilfezentrum für Kinder und junge Mütter im Haus St. Anton in Plein. Strahlende Gesichter gab es dafür bei Katy Schug und Winfried Görgen vom Caritasverband Eifel-Mosel-Hunsrück in Wittlich sowie bei Schwester Beate Burger und Christa Habscheid vom Haus St. Anton, die die Preisverleihung hautnah in den Kirchenbänken verfolgten und anschließend dem Kardinal auch mit herzlichem Händedruck für diese Zuwendung dankten.

Karl Kardinal Lehmann nutzte seine Dankesworte auch, um mit einem fundierten Rückblick auf das Verhältnis Kunst und Kirch einzugehen. Noch bis ins 20. Jahrhundert habe man der Kunst eine geistige Autonomie weitgehend abgesprochen, und sie als ebenbürtige Gesprächspartnerin weitgehend abgelehnt: Die Kunst als Dienerin, die Kirche als Herrin. Erst als die Magd plakativ ausgedrückt kündigt und sich selbstständig macht, änderte sich das Verhältnis Kirche-Kunst und begann ein neuer Kommunikationsstil mit langer Einübungsphase.

In der Kunst dargestellte Existenzfragen wie „Hoffnung und Verzweiflung“, „Identität und Endlichkeit“ dürfen laut Lehmann nicht an „einer Mauer des Desinteresses prallen“, wo doch die Kirchen von ihrem ureigenen Auftrag her eine tiefe Affinität zu diesen Existenzfragen hätten. Man würde sich beschränken, würde man auf die nonverbale Sprache des Bildes verzichten, dass mehr ausdrücken könne als das „semantisch Auszudrückende“.

Georg Meistermann habe Linien, Flächen und Farben als gestalterische Mittel und in überraschenden Variationen benutzt. Er habe immer wieder in einer eindrucksvollen Weise geholfen, die „unverbrauchbare Wahrheit des Glaubens mit frischen Augen sehen zu lernen. „Dies bringt gewiss manchmal Unruhe in die Kirche, aber es ist eine solche, die neu bewegt und lebendig hält“. Es sei zugleich ein ganz besonderes Verdienst Meistermanns, dass er wie kaum ein anderer die Glasfensterkunst in der Gegenwart wieder zu neuem Leben erweckt hat. „Sie ist nicht nur Gebrauchskunst von zweifellos hohem Rang, sondern Kunst im besten Sinn des Wortes“. Meistermanns Fenster hätten zum Beispiel den jungen Künstler Raphael Seitz dafür begeistert, als Glaskünstler zu arbeiten.

„Die Wege und Herausforderungen, die Georg Meistermann immer wieder in Atem hielten und bewegten, haben mich ähnlich in der Vermittlung des Evangeliums an die moderne Welt und in der Aufgabe der Theologie von heute bestimmt. So hat er besonders auch Mut gemacht zu einer erneuerten Verkündigung unserer christlichen Botschaft.“

In seine Dankesworte schloss Lehmann auch Dekanatskantor Reinhold Schneck für sein „imponierendes Orgelspiel“ ein.