Georg-Meistermann-Preis 2008

Georg-Meistermann-Preis 2008

Verständigung zwischen Juden und Nichtjuden vertiefen

Charlotte Knobloch erhält Georg-Meistermann-Preis 2008 der Stiftung Stadt Wittlich

Am vergangenen Sonntag, 1. Juni 2008 wurde in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge in Wittlich der Georg-Meistermann-Preis 2008 der Stiftung Stadt Wittlich an Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, verliehen.

Für die Stiftung Stadt Wittlich, die diesen Preis aus Anlass des 95. Geburtstages von Professor Georg Meistermann zum zweiten Mal verlieh, hieß Vorstandsvorsitzender Ralf Bußmer die zahlreich erschienenen Gäste aus Politik, Wirtschaft und jüdischen Gemeinden herzlich zum Festakt willkommen. Er betonte mehrfach die große Ehre und Freude, aus diesem Anlass Charlotte Knobloch begrüßen zu können.

Neben einer Vorstellung der Stiftung Stadt Wittlich wies er in seiner Begrüßungsrede auf die kultur- und architekturhistorische Bedeutung der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge hin, um anschließend einige Erläuterungen zum Namensgeber des Preises Georg Meistermann abzugeben. „Meistermann war ein unbequemer Mahner und ein Mensch, der größten Wert darauf legte, sich den Erfahrungen der Vergangenheit unmittelbar zu stellen, die Lehren daraus zu ziehen und daraus die Verantwortung für das Handeln in Gegenwart und Zukunft abzuleiten. Auch wenn er dem Staat und der Gesellschaft ein großes Versagen vorhielt, wurde er nie müde, diese Auseinandersetzung aus Respekt vor den Opfern einzuklagen, damit ihr Tod nicht umsonst gewesen sei“, so Bußmer in seiner Rede.

In seiner Laudatio würdigte Dr. h.c. Johannes Gerster, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die Person Knobloch mit deutlichen Worten: „Frau Knobloch hat sich, den Nazi-Schergen nur knapp entronnen, für ein Leben in Deutschland und für den Neuaufbau jüdischen Lebens in Deutschland entschlossen. Den Ungeist nationalistischer Inhumanität beantwortete sie im Geiste der Humanität.“ Und weiter: „Deutschland braucht jüdisches Gemeindeleben, das uns zur Erinnerung und an unsere politische Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk und gegenüber dem Staat Israel ermahnt. Sie, verehrte Frau Knobloch, sind wie Ihre Vorgänger es auch waren, längst zu einer integren, moralischen Instanz geworden. Wir brauchen Sie umso mehr als Beraterin, Mahnerin und Ermahnerin.“

Der Bezug zwischen Knobloch und Meistermann war für Dr. h.c. Gerster schnell zu finden: „Dieser Maler, Zeichner und Lehrer zeigte sich immun gegen den Ungeist des Nationalsozialismus und trat unerschütterlich und unerschrocken für Demokratie und Meinungsfreiheit in der Zeit der Unfreiheit ein.“

„Die Stiftung Stadt Wittlich hätte für die Verleihung des Georg-Meistermann-Preises keine bessere Wahl treffen können“, so der Laudator in seiner einfühlsamen Rede.

Bevor Dr. Hans Friderichs und Ralf Bußmer der Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland den Georg-Meistermann-Preis in Form einer Bronze-Plakette des Bildhauers Heribert Calleen und einer Urkunde überreichten, nahm Dr. Friderichs die Gelegenheit wahr und berichtete von seinem persönlichen Erleben der Diskussion über den Einbau der Meistermann-Fenster in der Katholischen Pfarrkirche St. Markus in Wittlich und der Zeit des Krieges, als die Synagoge zeitweise als Lager für Kriegsgefangene diente.

„Ja, ich freue mich!“ Charlotte Knobloch war sichtlich bewegt, als sie nach der Preisverleihung ihre Ansprache begann. „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für diese Auszeichnung. Und ich bin gerührt, dass Sie alle hierher in die ehemalige Synagoge der Stadt Wittlich gekommen sind, um mit mir zu feiern“.

Knobloch führte in ihrer Dankesrede unter anderem aus, wie wichtig sie die Aufgabe ansieht, der jungen Generation zu vermitteln, dass die Fixierung auf die Shoa zugunsten einer Sicht erweitert werden muss, die von der gesamten Bandbreite deutsch-jüdischer Geschichte ausgeht und Perspektiven benennt. „Das bedeutet, den jungen, lernenden und lernfähigen Menschen zu zeigen, dass die deutsche Nation eine beinahe 2.000 Jahre alte jüdische Geschichte hat…. Umfragen belegen, dass sich das Wissen deutscher Jugendlicher über das Judentum meist auf den Holocaust beschränkt. Und nicht selten wird der jüdische Beitrag zu den Errungenschaften dieses Landes marginalisiert oder gar geleugnet. Judentum, Holocaust und deutsche Schuld bilden eine Konnotationskette, die keinen Platz zu haben scheint, für die erfolgreichen Aspekte deutsch-jüdischen Zusammenlebens. Wenn es uns aber gelingt, zu vermitteln, dass dieses Land ohne sein Judentum nicht denkbar ist, werden – so hoffe ich – die unverschämten Verleumdungen der NPD und rechtsextremistischen Kameradschaften, die uns zu Fremden stilisieren wollen, ins Leere laufen. Weil dann erkannt wird, dass wir dazugehören, ja integraler Teil der deutschen Gesellschaft waren und heute wieder sind.“

Die Preisträgerin betonte, dass der Georg-Meistermann-Preis, mit dem sie geehrt wurde, ihr künftig nicht nur Auszeichnung, sondern vor allem Ansporn sein werde, die Verständigung zwischen Juden und Nichtjuden weiter zu vertiefen und – im Sinne Georg Meistermanns – kritisch-konstruktiv für demokratische Werte einzutreten.

Das mit dem Georg-Meistermann-Preis verbundene Preisgeld in Höhe von insgesamt 10.000 EUR wird Charlotte Knobloch je zur Hälfte an das Emil-Frank-Institut an der Universität und der Theologischen Fakultät Trier sowie an das Arye Maimon-Institut an der Universität Trier weitergeben. „Beide Einrichtungen leisten hervorragende Arbeit und einen entscheidenden Beitrag zur Rekonstruktion deutsch-jüdischer Vergangenheit. Und beide Einrichtungen sichern so die deutsch-jüdische Zukunft. Weil sie uns Anknüpfungspunkte in der Vergangenheit liefern, die für die Gegenwart bedeutsam sind. Weil sie dokumentieren, was in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts und Gleichberechtigung möglich war und heute wieder möglich ist“, so die Ausgezeichnete, deren Worte großen Beifall fanden.

Ausdrucksstark musizierte der ausgewiesene Musikwissenschaftler und international bekannte Pianist Privatdozent Dr. Jascha Nemtsov und sorgte mit seiner Auswahl jüdischer Werke für die würdige Umrahmung des Festaktes.

Hintergrundinformationen zum Georg-Meistermann-Preis der Stiftung Stadt Wittlich

Erstmalig wurde der mit einer Summe von 10.000 EUR dotierte Georg-Meistermann-Preis am 16. Juni 2006 an den Bundespräsidenten a.D. D. Dr. h.c. Johannes Rau posthum verliehen. Frau Christina Rau nahm den Preis stellvertretend für ihren Mann entgegen.
Der Georg-Meistermann-Preis der Stiftung Stadt Wittlich soll das Andenken an den großen Künstler Georg Meistermann und sein unerschütterliches, kritisch-konstruktives Eintreten für Demokratie und Meinungsfreiheit wach halten und nachfolgende Generationen anregen, diesem Beispiel zu folgen.
Mit dem Preis werden in der Regel alle zwei Jahre entweder eine oder mehrere Persönlichkeiten oder aber eine oder mehrere Gruppen ausgezeichnet.
Der Preis wird in Form einer Urkunde und einer Bronze-Plakette überreicht. Der Preis ist mit einer an den Stiftungszweck gebundenen Summe von 10.000 EUR dotiert. Der/Die Preisträger/in bestimmt in der Regel ein gemeinnütziges Projekt im Rahmen des Stiftungszwecks der Stiftung Stadt Wittlich.
Die Preisverleihung findet in Wittlich im Juni, dem Geburts- und Todesmonat von Georg Meistermann, statt.